Andacht
zu Matthäus 8,18-22
Nichts
bleibt wie zuvor (5. Sonntag nach Trinitatis), Tag 7
Lesung:
Matthäus 8,18-22
Als aber
Jesus die Menge um sich sah, befahl er, hinüber ans andre Ufer zu fahren. Und
es trat ein Schriftgelehrter herzu und sprach zu ihm: Meister, ich will dir
folgen, wohin du gehst. Jesus sagt zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die
Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er
sein Haupt hinlege. Und ein anderer unter den Jüngern sprach zu ihm: Herr,
erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Aber Jesus
spricht zu ihm: Folge du mir, und lass die Toten ihre Toten begraben!
Thema:
Vogelnester der Gesellschaft oder Jesus?
Auslegung:
Der Schriftgelehrte, der Jesus nachfolgen möchte, steht in einem
Konflikt, den auch die Kirche heute nur zu gut kennt: Da ist Jesus, der Herr, dem es nachzufolgen
gilt. Jesus allein soll Zuhause, soll unser Vogelnest sein. Auf der anderen
Seite lädt die Gesellschaft dazu ein, es sich in den Nestern der Anerkennung, die sie bietet, bequem zu machen.
Seit dem 4.Jh.n.Chr. ist das so. Der römische Kaiser Konstantin
hatte sich bekehrt und die Christen begünstigt. Seine Nachfolger hatten
das - bis vor kurzem noch blutig
verfolgte - Christentum zur alleinigen Staatsreligion gemacht. Man gewährte der
Kirche Privilegien und baute ihr große Gotteshäuser. Später gestand man ihr
standesamtliche Kompetenz zu, sicherte ihre Finanzierung usw. Hätte Kirche
damals nein sagen sollen?
Heute gibt es z.B. die Kirchensteuer. Es gibt staatlichen Religionsunterricht.
Es gibt Militärseelsorge. Es gibt staatliche Zuschüsse zu
kirchlichen Krankenhäusern, Beratungsstellen oder Kindergärten. Und jedermann
kann seine kirchlichen Spenden von der Steuer absetzen.
Das alles ist eine Medaille mit zwei Seiten. Auf der einen Seite
die Chance, im großen Stil aktiv zu werden und etwas zu bewirken, auf der anderen
Seite die Gefahr, Jesus für all das zurückzusetzen.
Das Wort Jesu ruft zu einer klaren Entscheidung. Im Zweifelsfall
muss Jesus Vorrang haben. Dann gilt es, ihm allein nachzufolgen, und das kann
auch heißen: gewisse Vogelnester und Fuchsbaue in der Welt hinter sich zu
lassen.
Gebet:
Herr Jesus, deine Kirche lebt in
der Welt, aber sie ist nicht
von der Welt. Gib ihr
Weisheit und Mut, beidem gerecht zu werden: In der Welt zu wirken und Verantwortung wahrzunehmen, aber sich nicht von der Welt vereinnahmen
zu lassen.
Bringe du selbst dich in Erinnerung. Schaffe dir Vorrang. Bitte!
Impuls:
Denken Sie über das Beispiel Schwangerenkonfliktberatung nach. Der Staat bezuschusst (finanzielles Vogelnest) kirchliche Beratungsstellen, soweit diese einen Beratungsschein ausstellen. Dieser Schein ist notwendig für eine straffreie Abtreibung, also für die Tötung des eigenen noch ungeborenen Sohnes oder der eigenen noch ungeborenen Tochter. Meistens geschieht das aus sozialen Gründen (z.B. wegen der psychischen Belastung der Mutter bzw. der Eltern), ohne dass Lebensgefahr für Mutter oder Kind besteht.
Soll die Kirche auf Ausstellung des Scheines (und damit auf viel Geld) verzichten, um nicht Beihilfe zur Ermordung unschuldiger Menschen zu leisten? Soll sie bildhaft gesprochen einen Fuchsbau im Staat hinter sich lassen? Oder soll sie die Chancen nutzen, die Mutter doch noch für ihr Kind zu gewinnen, die jede Beratung bietet auch mit Beratungsschein?
Hintergrundinformationen:
v Ich halte es für eine
mutige und gute Entscheidung der katholischen Kirche, Schwangerenkonfliktberatung nur noch ohne
Ausstellung des Beratungsscheines anzubieten, der für eine Abtreibung,
erforderlich ist. Hier wurde das Gebot Gottes Du sollst nicht töten! der
Verlockung, finanziell bestausgestattet mit der blutigen Mode unserer Gegenwart
zu gehen, widerstanden. Die Kirche hat einen Fuchsbau hinter sich
gelassen, weil sie Gott treu bleiben wollte. Allerdings nimmt man dadurch in
Kauf, dass viele abtreibungswillige Frauen gar nicht mehr zur kirchlichen
Beratung kommen, obwohl ein Beratungsgespräch möglicherweise die letzte Chance
für deren ungeborenen Sohn oder Tochter gewesen wäre.
v Unter dem Thema Alles oder nichts (Tag 1) findet sich eine
Andacht zu einem ähnlichen Bibeltext.
Autor dieser Andacht: Robert Augustin