Andacht
zu Jesaja 66,6-13
Wie
neugeboren (Quasimodogeniti), Tag 6
Lesung:
Jesaja 66,6-13
Horch,
Lärm aus der Stadt! Horch, vom Tempel her! Horch, der HERR vergilt seinen
Feinden! Ehe sie Wehen bekommt, hat sie geboren; ehe sie in Kindsnöte kommt,
ist sie eines Knaben genesen. Wer hat solches je gehört? Wer hat solches je
gesehen? Ward ein Land an einem Tage geboren? Ist ein Volk auf einmal zur Welt
gekommen? Kaum in Wehen, hat Zion schon ihre Kinder geboren. Sollte ich das
Kind den Mutterschoß durchbrechen und nicht auch geboren werden lassen? spricht
der HERR. Sollte ich, der gebären lässt, den Schoß verschließen? spricht dein
Gott. Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr
sie lieb habt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen
seid. Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres
Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an dem Reichtum
ihrer Mutterbrust. Denn so spricht der HERR: Siehe, ich breite aus bei ihr den
Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden
Bach. Ihre Kinder sollen auf dem Arme getragen werden, und auf den Knien wird
man sie liebkosen. Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja,
ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.
Thema:
Jerusalem als Mutter für die Welt
Auslegung:
Jerusalem als Mutter für die Welt. Das ist ein wirklich befremdlicher
Gedanke, den unser Text da ausspricht. So wie ein Säugling sich an der köstlichen Milch seiner Mutter freut und davon genährt wird, so nährt Gott die Völkerwelt durch die geistliche Milch, die von Jerusalem ausgeht.
Ob Jesaja das genauso geschrieben hätte, wenn er die Geschichte
Jerusalems in den 2700 Jahren nach ihm gekannt hätte? Wie zerrissen ist
Jerusalem doch ein Zankapfel der Kontinente, Kulturen, Religionen und Völker!
Und doch: Jesajas Wort hat sich bewahrheitet und ist auch heute
noch wahr, wenn man es geistlich betrachtet: Die Milch des Evangeliums, die im Glauben entgegengenommen wird
und die Seele nährt, kommt aus Jerusalem: Dort wurde Jesus gekreuzigt.
Dort erschien er als Auferstandener zahlreichen Menschen. Dort lebte die
Urgemeinde, von der aus der Strom des Friedens und der überquellende
Reichtum des Evangeliums in die Völkerwelt hineinfloss, wie es unser
Textabschnitt voraussagt.
Paradox, dass gerade diese Stadt, die soviel geistlichen
Frieden bringt, weltlich so zerrissen ist und voller Blut klebt.
Vielleicht will Gott damit demonstrieren, dass er sein Heil nicht auf einer
Robinson-Insel oder in einer Mustergesellschaft aufrichtet, sondern gerade
dort, wo ständig die Fetzen
fliegen: mitten in
unserem ungerechten, zerrissenen und zerstrittenen Alltag!
Gebet:
Herr Jesus, du nährst unseren Leib. Du willst auch unsere Seele
nähren. Das Evangelium, das von Jerusalem ausging, bietet reichlich Seelennahrung. Gib uns, dass wir diese Nahrung nicht
verachten, sondern eifrig
und gerne zu uns nehmen.
Impuls:
Manchmal ertappe ich mich bei dem Gedanken: Wäre der Nahe Osten
doch einfach aus der Landkarte herausgeschnitten. Dann wäre endlich Friede. Irgendwie
kann uns der Text helfen, von solchen Gedanken loszukommen und eine positive Beziehung zu Jerusalem
zu entwickeln: Liebe und Fürbitte für diese Region ist angesagt.
Hintergrundinformationen:
v Zum Thema Jerusalem siehe auch Israel - Volk des Segens Tag 7 (Jesaja 62).
Autor dieser Andacht: Robert Augustin