Andacht
zu Lukas 6,27-35
Lichtblicke
(8. Sonntag nach Trinitatis), Tag 5
Lesung:
Lukas 6,27-35
Aber ich
sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen;
segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen. Und wer dich
auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar; und wer dir den
Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht. Wer dich bittet, dem gib; und
wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück. Und wie ihr wollt,
dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch! Und wenn ihr die liebt, die
euch lieben, welchen Dank habt ihr davon? Denn auch die Sünder lieben ihre
Freunde. Und wenn ihr euren Wohltätern wohltut, welchen Dank habt ihr davon?
Denn die Sünder tun dasselbe auch. Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr
etwas zu bekommen hofft, welchen Dank habt ihr davon? Auch die Sünder leihen
den Sündern, damit sie das Gleiche bekommen. Vielmehr liebt eure Feinde; tut
Gutes und leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft. So wird euer Lohn groß
sein, und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein; denn er ist gütig gegen die
Undankbaren und Bösen.
Thema:
Wer nicht zurückschlägt,
braucht viel Mut
Auslegung:
Verletzungen schmerzen, Enttäuschungen wiegen schwer und brechen
immer wieder auf. Es gibt genügend Situationen, in denen Menschen im Recht
sind, wenn sie zurückschlagen, wenn sie auf erlebte Gewalt wieder mit Gewalt
reagieren. Aber wo wird die Spirale der Gewalt enden? Zum ersten Mal habe ich
bei einem Besuch in Nordirland
über die Wahrheit des
Jesuswortes nachgedacht: Wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete auch die andere dar. Über die Jahrhunderte hat sich zwischen
den Konfliktparteien so viel Gewalt angestaut, dass jede Familie Gründe hat,
erlittene Gewalt zu rächen. Erst wenn jemand den Mut hat einzustecken und die
Spirale der Gewalt anzuhalten, wird Frieden wachsen können. Diese Erkenntnis lässt sich mühelos auf die anderen
Konfliktherde unserer Zeit übertragen: Palästina, Kosovo oder wo auch immer. Bei Jesus geht es nicht darum, Recht zu
haben, sondern Anerkennung durch Gott zu finden. Wer Gewalt beendet braucht mehr Kraft als der, der zurückschlägt. Und woher kommt die Kraft, denn uns
Menschen liegt es eher, an der Spirale der Gewalt zu drehen? Kraft und
Motivation kommen aus dem Glauben. Wenn Gott
unser Verhalten honoriert, dann ist das bedeutsamer als alle
menschliche Anerkennung für gelungene Reaktionen. Wenn Gott uns Mut
macht, seine Kraft in
dieser Welt auf diese Weise umzusetzen, dann ist das wichtiger als alle Aufrufe
zur Unversöhnlichkeit aus den Medien. Wenn Gott uns sogar zur Feindesliebe auffordert, dann ist das zugleich eine
Einladung, bei ihm Kraft zu schöpfen.
Gebet:
Herr, du kennst die Situationen auf den Kriegsschauplätzen dieser Erde (hier konkrete Konfliktsituationen
einfügen). Ich will dich
besonders für die bitten, die in dieser Situation an Versöhnung denken und für sie eintreten. Lass sie den Mut nicht verlieren und sorge dafür, dass ihre Stimme Gehör
findet.
Impuls:
Druck erzeugt Gegendruck, eigene Verletzung lässt die Neigung wachsen, andere zu verletzen. Wo bin ich selbst in das Muster Gewalt und Gegengewalt eingebunden?
Wer Verletzungen hinnimmt, kann auch ausgenutzt werden. Wo wird nur den Skrupellosen die Tür geöffnet, wenn man nachgibt?
Ergebnis:
Wer auf nackte Gewalt verzichtet, braucht viel Mut. Und wer auf Gewalt verzichtet, braucht Christus als Kraftquelle, der ihm Rückgrat verleiht.
Hintergrundinformationen:
v Die Aufforderung zur Feindesliebe ist ein Inhalt, den
Jesus nur allein hat. Weder das Judentum noch die umliegenden Völker kannten
einen so radikalen Verzicht auf blanke Gewalt. Deshalb spürt man, dass an
diesem Punkt ein ganz besonderer Akzent der Botschaft von Jesus zum Klingen
kommt.
Autor dieser Andacht: Konrad Flämig