Andacht
zu Galater 6,1-5
Wer
richtet, der rostet (4.Sonntag nach Trinitatis), Tag 3
Lesung:
Galater 6,1-5
Liebe
Brüder, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm
wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh
auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest. Einer trage des andern
Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Denn wenn jemand meint, er sei
etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst. Ein jeder aber prüfe
sein eigenes Werk; und dann wird er seinen Ruhm bei sich selbst haben und nicht
gegenüber einem andern. Denn ein jeder wird seine eigene Last tragen.
Thema:
Tragen statt drücken
Auslegung:
Viele Arbeitnehmer haben Angst, dass ihnen zu viele Lasten
aufgebürdet werden. Deshalb wenden sie folgende Taktik an: Sie arbeiten zwar
gemächlich, behaupten aber, dass sie bis an die Grenzen des Möglichen
ausgelastet sind. Dass sie noch Luft haben, bleibt ihr kleines Geheimnis. Sie
brauchen das, um sich sicher zu fühlen. Denn wenn es wirklich einmal
knüppeldick kommen sollte, geht noch etwas.
Ob hinter diesem Verhalten schlechte Erfahrungen stecken? Tiefes
Misstrauen gegenüber einem Vorgesetzten, der versucht hat, das Letzte aus
seinen Mitarbeitern herauszuholen und deren Kräfte bis zum Gehtnichtmehr
auszunutzen? Seine Taktik ging offensichtlich schief. Denn jetzt gehen täglich
wichtige Prozente an Arbeitskraft verloren.
Paulus schlägt eine andere Philosophie vor: Nicht drücken, sondern entlasten, mittragen und fürsorglich
sein: Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz
Christi erfüllen.
Gebet:
Vater, ich genieße es, entlastet und von anderen getragen zu werden. Aber ich denke an mich und nutze das aus. Gib mir deinen
Geist, dass ich die Lasten
anderer sehe und gerne
mittrage.
Impuls:
Haben Sie den Mut, ganz praktisch der Philosophie des Paulus (die auch Gott in Jesus Christus
praktiziert hat) zu folgen. Wie können Sie Lasten anderer
Menschen mittragen: im Betrieb,
in der Familie, in der Nachbarschaft, in der christlichen Gemeinde, in einem Verein usw.
Hintergrundinformationen:
v Paulus, der sonst
Christus und das Gesetz einander gegenüberstellt, redet in unserem Text vom Gesetz Christi. Gemeint ist in diesem
Falle nicht das Gesetz des Mose (AT), sondern das uneingeschränkte Liebesgebot
Gottes: Nächstenliebe, Gottesliebe, Feindesliebe.
v Kennen Sie den Spruch:
Der Mensch ist die wichtigste Ressource? Das ist eine bedenkliche Aussage. Denn eine
Ressource ist eine Sache, aus der man Profit schlägt: ein Mittel zum Zweck.
v Ursache für die
Gesinnung des Drückens statt des Tragens ist oft eine falsche Selbsteinschätzung: Jeder meint, er
sei besser
als der andere. Das führt unweigerlich
dazu, dass derjenige, der als erster Schwäche zeigt, Druck bekommt. Auf einer
Tagung mit Führungskräften kam Missstimmung auf, weil diese meinten, der
Gastreferent sei unter ihrem Niveau. Dieser war unsicher gewesen und hatte
Schwäche gezeigt. Also bekam er Druck. Paulus sagt: Wenn jemand meint, er
sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst. Vielleicht
war das das wahre Problem auf beiden Seiten?
Autor dieser Andacht: Robert Augustin